Samstag 24. September 2022
#ichbinarmutsbetroffen
Auf youtube gibt es so Videos von Leuten, die den Weg heute wandern: schmale Pfade, nichts als Felsen, es geht ständig bergab. Da werden nach ein paar Kilometern ordentlich die Knie schlackern… Abwärtsgehen auf einem steinigen Weg – das Bild, hat mich berührt. „Die fetten Jahre sind vorbei“, hat jemand zu mir gesagt. Es geht bergab. Das ist die Szene, bei uns und in der Geschichte vom barmherzigen Samariter.
Dann diese Menschen, die des Weges kommen: Der Priester, der eine wichtige Aufgabe hat, genauso der Levit, die gehen zielstrebig auf diese Aufgaben zu. Menschen, die frisch arbeitslos geworden sind erzählen manchmal, dass ihnen die täglichen Wege fehlen, das Gefühl, irgendwohin zu müssen, diese Zielstrebigkeit. Wer das hat, wie der Priester und der Levit in der Geschichte, der hat schon eine große Hilfe auf dem Weg. Jede Gesellschaft braucht Menschen, die sich ihren Aufgaben widmen. Die Ziele setzen und verfolgen. Das gibt auch Selbstbewusstsein, wenn ganz klar ist: Ich gehöre zu den Leviten/zu den Leistungsträgern/zur Mittelschicht/zu den echten Wallstadtern. Ich bin wer und es ist gut und wichtig, dass ich hier unbeschadet durchkomme, auf dem schweren Weg abwärts.
Was ist mit Menschen, die Zeit haben, auf den Wegesrand zu achten? Die alle Termine einfach sausen lassen - oder keine Termine hatten? Die vielleicht weder irgendwo unabkömmlich noch produktiv sind? Weil sie alt sind, oder krank, oder arbeitslos oder ohne gültigen Aufenthaltsstatus…Ob die wichtig sind für eine Gesellschaft wird immer wieder in Frage gestellt. In der Diskussion um Ausgleich für die Teuerung kann man wieder unsägliche Beschimpfungen hören: Menschen in Armut wären einfach zu faul zum Arbeiten, zu dumm auf sich selbst zu achten, lägen dem Staat auf der Tasche. Auf keinen Fall dürfte man zu sehr helfen, um keinen Anreiz zu schaffen. Als würde plötzlich jeder arm sein wollen, wenn die Armen nicht mehr ganz so stark ausgeschlossen wären von Teilhabe. Als wollte sich irgendjemand vom Jobcenter herumkommandieren lassen, immer Bittsteller sein, jede Sonderausgabe begründen müssen, als faul und nutzlos beschimpft werden, auf die täglichen Ziele und Aufgaben und Wege verzichten, stattdessen rechnen, rechnen, rechnen, immerzu rechnen, öfter krank werden und früher sterben.
Selig die Armen! Sagt Jesus. Es ist nicht okay, diejenigen zu verurteilen, die auf dem steinigen Weg abwärts die schwerste Ausgangsposition haben. Armut ist nichts, wofür sich die Betroffenen schämen sollen, keine Schuld und kein Igitt. Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit ist nichts wofür sich die Betroffenen schämen sollen, keine Schuld und kein Igitt. Andere pflegen ebenso wenig! Sondern die Betroffenen sind Teil der Gemeinschaft. Ganz genauso berechtigt zum vollen Leben. Ganz genauso von Gott erschaffen und geliebt und gewollt. Bedingungslos. Und zum Segen in die Welt gestellt. Denn JEDE*R kann jederzeit zur Nächsten werden.
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