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Donnerstag, 25. August 2022

Corona-Tagebuch

Was ist für mich neu und anders im Vergleich zur normalen Normalität davor? Ich plane luftiger, sowohl im wörtlichen, als auch im übertragenden Sinn. Ich versuche, Veranstaltungen kürzer zu planen. Möglichst viel im Freien zu machen. Ein einstündiger, vollbesetzter Gottesdienst in einem geschlossenen Raum – das kann ich mir nicht mehr vorstellen. Lieber zwei kurze Durchgänge mit jeweils halb so vielen Personen. Oder wie beim Zeltfest im Sommer: Vier Durchgänge vom Tauffest...

Ich nehme mir auch noch nicht wieder so viel vor, weder für mich privat noch für die Gemeinde. Ruhepausen, Puffer für unvorhergesehenes, das gehört dazu. Einerseits, weil ich nie vergessen will, wie befreiend und schön es auch war, als Corona die Terminkalender frei sprengte. Andererseits, weil die zusätzlichen Belastungen groß waren und nicht vorbei sind. Es ist noch immer mühsam, meinen Kindern zu erklären, warum manche Menschen auch nach zwei Jahren den Nasenpimmel raushängen lassen. Es ist noch immer zusätzlicher Aufwand, an Masken für alle zu denken, vor jeder Fahrt. Und an einen Plan B, falls ich mich anstecke. Und so weiter.

Ich habe einige schöne Mitbringsel aus den Corona-Jahren in die neue Normalität. Weil ich das Privileg hatte, Beamtin zu sein in einer extrem großzügigen Dienstwohnung, fühlten sich manche Zeiten eher wie Zusatzurlaub an, brachten viel Innigkeit in der Familie.

Und das ist auch gut so, denn ich schleppe auch einen gewaltigen, dicken Packen mit aus diesen zwei Jahren, der schwer ist zu tragen. Da kommt mir die Hilfe einer liebenden Familie sehr zupass. In der neuen Normalität ist mein Menschenbild viel pessimistischer als zuvor. Nicht nur, wie unsolidarisch und rücksichtslos sich ein großer Teil der Menschen verhält hat mich erschüttert. Sondern was für Mist da geredet und geglaubt wurde. In der normalen Normalität war Verschwörungsglaube etwas, das weit weg von mir womöglich irgendwelche abgedrehten Esoteriker oder verkrachte Existenzen betraf. In der neuen Normalität sind es etliche der Menschen, mit denen ich lebe: Im Dorf, im Kindergarten, in der Schule.

Als die alte Normalität zerbrach, hatte ich viel Vertrauen in die Menschen der Gemeinde. Das sind mündige Christinnen und Christen, dachte ich, die finden Wege ihren Glauben auch in dieser Zeit zu leben und aus dem Evangelium Kraft zu ziehen. Wer Anregungen sucht, findet sie, hausgemacht aus der Petrusgemeinde oder anderswo. Wie lieb ich war, und hoffnungsfroh!

Heute sitze ich hier und denke an Gott, nach der Sintflut. „Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“, stellte Gott fest. Die Katastrophe konnte da nichts läutern oder herumreißen. So geht es mir auch. Ich sitze hier und denke: Wahrscheinlich waren die Menschen schon vor Corona genauso uneinsichtig und egoistisch und bequem und selbstdienlich. Böse von Jugend auf. Nachdem Gott bemerkte, dass auch die Sintflut nichts daran geändert hatte, segnete er die Menschen. In der neuen Normalität, mit all den Enttäuschungen trotzdem noch gesegnete Kinder Gottes zu sehen in allen Menschen, die mir begegnen. Das ist gerade meine größte Herausforderung.

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