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Donnerstag, 27. April 2023

Raps

Blühende Rapsfelder erinnern mich immer an eine Zugfahrt im April 1998 oder 99. Ich war noch Schülerin und musste für ein Wochenende von Köln nach Dresden. Als ich ins Abteil kam, saß dort schon ein Ehepaar. Schweigend saßen sie einander gegenüber auf den Fensterplätzen. Die beiden werden so um die 70 gewesen sein. "Guten Tag!", sagte ich. "Guten Tag", antworteten die beiden. Dann schwiegen sie. Die ganze Fahrt! Nach einer guten Stunde holte die Frau schweigend Brote hervor, gab ihrem Mann davon. Die beiden aßen schweigend. Verräumten die Reste. Ohne ein Wort. 

Irgendwann änderte sich die Landschaft draußen: Hügeliges Ackerlang zog an uns vorbei. Und dann, plötzlich, leuchtend gelbe Rapsfelder. "Raps!", sagte der Mann. "Raps" erwiderte die Frau. Und dann schwiegen sie wieder, bis sie in Leipzig den Zug verließen. 

Wir hatten damals im Deutschunterricht das Thema "absurde Theaterstücke", vielleicht habe ich deshalb die Szene so genau wahrgenommen und abgespeichert. Oder vielleicht auch deshalb, weil es mir so wesensfremd ist, nur mit einem einzigen Wort die Freude und das Lob miteinander zu teilen. Wenn ich die ersten Rapsfelder sehe, will ich liebsten Oden schreiben über die Farbe Gelb. Und kann doch nie voll audrücken, wie viel Lob und Freude in meinem Herzen wohnt. Dann stimme ich innerlich mein Lieblings-Loblied an:

O dass ich tausend Zungen hätte
und einen tausendfachen Mund
So stimmt ich damit um die Wette
Vom allertiefsten Herzensgrund
ein Loblied nach dem andern an
von dem, was Gott an mir getan.

(Johann Mentzer 1704)

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