Mittwoch, 13. April 2022
Queer Eye zu Palmsonntag
Bobby war als Kind mit seinen Adoptiveltern regelmäßig in der Kirche, jede Woche einmal, manchmal öfters. Als er älter wurde, übernahm er mehr und mehr Verantwortung: Er war der Sänger einer Kirchenband, er war Gruppenleiter für die Kinderkirche. Dazu kamen Bibelkreis und Jugendtreff und natürlich die Gottesdienste. Wenn Gottesdienst war, betete Bobby inbrünstig.
Seit er zehn oder elf Jahre alt war hatte er vor allem einen Herzenswunsch und wandte sich damit an Gott. Jeden Tag und ganz besonders jeden Sonntag in der Kirche. Die Tränen liefen ihm über die Wangen, wenn er sein Gesicht in den Händen verbarg und betete, aus ganzer Seele betete: Lieber Gott, bitte lass mich nicht schwul sein. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht. Please don`t make me gay.
Gott erhörte das Gebet nicht. Bobby war schwul. Der Junge wurde ein wütender Jugendlicher, eckte an. Dann das Coming Out. Und der Rauswurf aus der Kirche, aus der Familie. So einen wollte keiner haben.
Bobby schlug sich irgendwie durch, schlüpfte bei Freunden unter, schlief zur Not im Auto. Er hatte nicht einmal mehr ein Konto. Und Gott? Bobby wollte keine Kirche mehr betreten. Mit Glück und Fleiß schaffte er es, einen Beruf zu lernen. Er entdeckte seine Gabe: Bobby hat ein Händchen fürs Gestalten von Räumen. Er wird Innendesigner, gründet eine eigene Firma. Bobby kann Räume und Häuser verwandeln, sodass sie gleich beim Eintreten das Gefühl von Zuhause vermitteln. Vom Ausatmen können und vom Willkommensein.
Viele Jahre später steht Bobby vor einer Kirche. „Ich bleib draußen“, sagt er. Seine vier Kollegen betreten an ihm vorbei das Gotteshaus. Zu fünft sind sie die Stars einer Reality –Show auf Netflix: „Queer Eye“ In jeder Sendung hilft das Team queerer Männer einem Kandidaten, gestärkt in eine neue Lebensphase zu gehen. Bobby ist dabei zuständig für die Hilfe bei der Inneneinrichtung: Wie kann das Zuhause sich anpassen an veränderte Lebensrealität? Wie kann es zu einem guten Begegnungsort werden – und auch Rückzugsräume bieten?
Also: Meistens das Zuhause. In der Folge, wo die vier Kollegen an Bobby vorbeigehen in die Kirche hinein, soll ein Gemeindehaus neu eingerichtet werden. Kandidatin ist eine rührige Ehrenamtliche. Bobby ist anzusehen, dass ihm nicht recht wohl ist bei der Sache. Er soll für die Kirche einen Raum gestalten? Wo die Kirche ihn so ausgegrenzt, ja rausgeworfen hat?
Doch am Ende erstrahlt der Gemeindesaal: Mit Tischen und Sofas, Spielecke für die Kleinen, allem, was Begegnungen erleichtert. Die Ehrenamtliche strahlt, schick zurechtgemacht und sichtlich gerührt über all die Aufmerksamkeit und Bestärkung, die sie von den „Fabulous Five“ erhalten hat. Zum Einweihungsfest schaut sogar ihr Sohn vorbei. Ein schwuler junger Mann, der aus Angst vor Verurteilung die Kirchengemeinde seiner Kindheit jahrelang gemieden hatte.
Als Jesus nach Jerusalem kam, da hofften so viele auf ihn. Hofften, dieser Jesus werde nun ihre sehnlichen Wünsche erfüllen: Die Unterdrücker vertreiben. Den Diktator in der fernen Hauptstadt stürzen. Den Alkoholismus beenden. Sie jubelten ihm zu und begrüßten ihn.
Der erwartete Heilsbringer auf dem Esel schweigt. Er ist nicht gekommen, um den Menschen alle ihre Wünsche zu erfüllen. Er tut Gottes Willen. Er ist gekommen, damit Menschen sich in die Freiheit rufen lassen. Damit sie zeigen, was Gott ihnen anvertraut hat. Und dieses Licht leuchten lassen. Voller Vertrauen als Geschenk für die Welt.