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Samstag, 29. April 2023

Lieblingspredigt

Liebe Gemeinde,

dem Himmel nah, hieß das Motto der Kirchen beim Festumzug. Vielleicht haben Sie uns gesehen, sind selber mitgelaufen. Den Himmel ins Gesicht gemalt, blau. Der Himmel, das ist eine Metapher für die Sphäre Gottes. Gottes Wirklichkeit. Da herrscht Gottes Wille. Wir haben diesen Willen auf Schlagworte gebracht: Liebe ist himmlisch. Glauben ist himmlisch. Versöhnung ist himmlisch. Frieden. Man kann das auch anders ausdrücken, als Spielregeln des Himmels. Sie kennen solche Spielregeln des Himmels: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Du sollst nicht neidisch sein und gierig auf das, was andere haben. Halte einen Tag Ruhe. Nach diesen Regeln leben ist quasi üben für den Himmel.

Das ist Gottes Willle, schreibt Paulus, dass ihr heilig seid. Dass ihr himmlisch seid, könnte man auch sagen. Gott will, dass wir uns dem Himmel entgegen bewegen, dass wir immer himmlischer werden. Alle miteinander. Denn in Gottes Augen sind wir Himmelskinder. Und müssten einander nicht das Leben zur Hölle machen.

Am Ende jeder Religionsstunde spreche ich mit den Grundschulindern einen „Segen in Bewegung“ – er beginnt mit dem Satz: Gott, lass mich wachsen, zieh mich hin zu dir. Das bringt es für mich auf den Punkt: Das ist Heiligung. Oder „Himmligung“, diese Bewegung. Aufrichtend und größer als wir selbst. Wachsen können, sich weiter zu entwickeln – und zwar: zum Guten. zu Gott hin. Nicht aus eigener Kraft: Gott zieht mich. Gottes Kraft ist mit im Spiel. Der Heilige Geist. „Gott lass mich wachsen, zieh mich hin zu dir“

Und dann hab ich mir vorgestellt, wie das wäre, wenn Gott dieses Gebet jetzt plötzlich erhören würde. Voll und ganz. Und wir alle zu Gott gezogen werden, zum Himmel. Erst zieht es uns, sodass wir ganz gerade sitzen, dann hebt es uns aus der Bank. Und schon schweben wir durch die Kirche, interessant, die einmal aus der Vogelperspektive zu sehen, denken wir noch, und durchbrechen das Dach.

Erste Angstschreie sind zu hören. Andere aber lachen und rufen: Fürchtet euch nicht! Habt doch Vertrauen! Das sind die Fortgeschrittenen, die schon bevor wir plötzlich himmlisch wurden die himmlische Eigenschaft eingeübt haben, es mit der Angst aufzunehmen. Die sich nicht versteckt haben vor dem Leben.

Wir schweben über Wallstadt. Wie schwer es manchen im Herzen wird. Der Garten, das Haus immer kleiner und kleiner. Die ganze Mühe und Arbeit, das Herzblut, ja, wirklich das Herz daran gehängt – und jetzt zeigt sich, was eigentlich immer bekannt war: Das kann man alles nicht mitnehmen.

„Wo ist mein Geldbeutel?“ ruft jemand. Einer nach dem anderen bemerkt es: Die Taschen sind leer. Wir fliegen über Wallstadt, Sparkasse und Volksbank nur noch Ameisengroß, und niemand hat einen Cent Gelt dabei oder ein Handy. Manche zucken mit den Schultern, sagen: Dann wird es schon nicht so wichtig sein. Haben wir immer gesagt: Das letzte Hemd hat keine Taschen. Andere werden sehr, sehr blass. Als dämmerte ihnen zum ersten Mal seit langem wieder, dass es wichtigeres geben könnte, als Besitz. „Das ist das Ende“ stammelt eine und tippt in der leeren Handfläche herum, als hielte sie ein Handy. Schon schweben andere zu ihr herüber, beginnen ein Gespräch. Es ist überhaupt so, dass in der fliegenden Reisegruppe eine ganz gute Gemeinschaft entsteht. Was soll man auch sonst tun, es gibt nichts hier oben. Gut, dass einige so fleißig geübt haben, wie das geht: Zeit miteinander zu verbringen. Eine Gemeinschaft zu sein. Stellt sich raus: Das war die beste Vorbereitung für den Himmel. Einsamkeit gibt es hier nicht. Wir sind gemeinsam unterwegs, nehmen Anteil aneinander.

Der Weg ist weit. Wie weit, weiß keiner. Die Nerven liegen blank. Besonders schwer ist es für die Workoholics. Die aber Freundlichkeit, Besinnung und Geduld eingeübt hatten, unten im Alltag, die werden immer wichtiger, helfen der Gruppe auf dem Weg.

Schließlich kommt uns eine Gruppe Engel entgegen. Sie winken und rufen: Raus aus den alten Dingern! Diese Gefäße braucht ihr hier nicht! Und dann heißt es: Abschied vom Körper nehmen. Die armen Engel. Manches Mal wollen sie einen Körper nur mit spitzen Fingern anfassen. Den hatte Gott dir geschenkt, murmelt ein Engel kopfschüttelnd, als ein besonders missachteter Leib an der Reihe ist.

Aus einer anderen Ecke dringen Schreie herüber. Schmerzensschreie. Es tut mir leid, erklärt der Engel, aber die alten Körper können nicht mit rein. Leider hängt das Herz dran. Müssen wir jetzt trennen, das ist kompliziert. Top-Gepflegte, low-carb ernährte Körper sind es. Schöne Körper, die viel Arbeit kosten. Es tut weh, sich von denen zu trennen. „Das ist für mich die einzige Gelegenheit, mal abzuschalten und mich gut zu fühlen“, schluchzt einer, als es an die Geschlechtsorgane geht. Die Engel trösten: Du hast noch viel mehr Möglichkeiten, die du entdecken wirst im Himmel. Die Reise wird sehr spannend für dich!

Die Reise geht weiter. Immer öfter hört man Fragen: Hast du meinen Mann gesehen? Entschuldige, wer bist du nochmal? So ungeschminkt und unbeschönigt kennen sich viele nicht. Ein Engel klärt auf: Wir haben jetzt die Höhe erreicht, wo die Wahrheit ist. Hier gibt es keine Lügen mehr. Keine Selbstdarstellung, keinen Betrug, kein Doppelleben. Vor allem: Kein sich-selbst-in-die-Tasche-lügen mehr. Guckt mal – und hält einen Spiegel. Was ist jetzt anders? fragt so manche ehrliche Haut. Alles wie immer, wie ich mich immer gesehen habe. Andere schauen die Engel mit großen, ängstlichen Augen an. Die trösten sofort: Für Gott ist das nichts neues, dich so zu sehen, so sieht er dich immer schon. Als Sünder. Und zugleich als geliebtes Himmelskind.

Gott hat euch zur Heiligkeit berufen. Er will euch zu sich ziehen, will eure Heiligung, eure Himmligung. Gott hat euch Regeln gegeben, die sehr gut zur Vorbereitung helfen. Der ist sogar selber auf die Erde gekommen, ja, in den Tod gegangen. Der hat das alles auf sich genommen, um dich hier zu haben. Der freut sich auf dich und nimmt dich an. Glaube das. Amen.

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