Evangelische
Petrusgemeinde
Mannheim Wallstadt

Aktuelle Meldungen

Sonntag, 14. November 2021

Eindrücke von der Ausstellungseröffnung

Mehrfach haben wir in der Gemeinde bereits um Sach- und Geldspenden für die Beratungsstelle Amalie gebeten, die eine Anlaufstelle für Prostituierte ist. Wie wertvoll diese Arbeit ist, das zeigen auch die Fotos der Ausstellung: Genau zwei Bilder gibt es, da ist die Beratungsstelle zu sehen. Es sind die einzigen beiden Bilder, die friedlich wirken. In allen anderen Bildern ist etwas von der Angst und Perspektivlosigkeit zu spüren, die das Leben der Frauen prägt. Das Bild an der Theke in der Beratungsstelle ist auch das Lieblingsbild von Prof. Dr. Julia Wege, die lange Leiterin von Amalie war. Ich erinnere mich noch, wie sie belächelt wurde, auch von Teilen der Pfarrerschaft, als sie die Stelle antrat. Wie wenig Kompetenz ihr zugeschrieben wurde, weil sie jung war und hübsch und weiblich. Großartiges hat sie geleistet!

Bei der Ausstellungseröffnung wurden Statements der Frauen von einer Schauspielerin gelesen. Hängen geblieben sind mir diese Sätze:

„Meine Eltern haben keine Ahnung, was ich hier in Mannheim mache. Meiner Familie erzähle ich von einem Job, in dem ich Kellnerin mein Geld verdiene.“

„Ich zahle Steuern. 25€ am Tag. Dazu Zimmermiete, 150€ am Tag. Jeden Tag muss ich sieben Männer bedienen, nur um diese Kosten reinzukriegen.“

„Wenn mein Unterleib schmerzt, nehme ich starke Schmerzmittel. Wenn meine Seele schmerzt, Alkohol. Ich müsste zum Arzt, habe aber keine Krankenversicherung. Morgen gehe ich zu Amalie. ich habe gehört, dass es da Hilfe gibt.“

„Ich wünsche mir ein ganz normales Leben. Aber: Von was soll meine Familie leben, wenn ich nicht jede Woche Geld nach Bulgarien schicke?“

 

Viele Vertreter*innen der Politik waren vor Ort gestern. Dr. Schöning-Kalender, die hier in Wallstadt bekannt ist und sich seit Jahren für Frauenrechte stark macht. Erster Bürgermeister Specht und gleich zwei Staatssekretärinnen. Specht beklagte die Lage der Frauen, aber auch die Lage Mannheims. Die Stadt habe es wirklich schwer, da es so viel Einwanderung gebe. Er forderte mehr Unterstützung von Stuttgart. Was Mannheim zur Unterstützung der Frauen tun wolle, blieb vage. Michael Graf, Direktor des Diakonischen Werks Mannheim, fasste die Problematik so zusammen:

„Was seit Jahrhunderten akzeptiert wird, ist heute eigentlich nicht mehr akzeptabel: Die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution. Prostitution ist keine Kultur der Menschlichkeit.“

Wegschauen ist auch keine „Kultur der Menschlichkeit“, finde ich. Darum ist die Ausstellung wichtig und richtig. Ich kann den Besuch der Ausstellung sehr empfehlen!

Der Corona-Winter wird aller Voraussicht nach lang und hart. Für uns alle. Es ist legitim, da auch Zeiten zu brauchen für das eigene Wohlbefinden. Zeiten ohne verstörende schwarz-weiß-Bilder und Einblicke in eine Welt des Elends. Im Gebet haben wir die Chance, auch mit den Realitäten in Kontakt zu bleiben, denen wir uns gerade nicht ausliefern können. Also bitte: Betet für die Frauen in Mannheim, die für 20 € eine Viertelstunde lang das tun müssen, was der Mann will. Was immer das ist. Dass ihre Träume von einem „normalen Leben“ doch noch wahr werden.

Zurück