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Sonntag, 6. November 2022

Überall Himmel

Mit Grundschulkindern würde ich das Lied heute eher nicht singen. Denn da müsste ich mir erstens vorher einen Wolf erklären: Wer ist „er“, wieso und wann kommt er… Und zweitens finde ich doch das Verhältnis von Anspruch und Zuspruch etwas unglücklich weit auf der Anspruchsseite. In den Strophen noch schlimmer. Jede Strophe beginnt mit: „Der Herr wird nicht fragen…“ und dann kommen eben die Dinge, die am Ende vor Christus wenig zählen: Erfolg, Geld, Ruhm und so. Dann wird die Melodie schmissiger, die Stelle mochte ich als Kind am liebsten: „Seine Frage wird lauten“. Und dann kommen Beispielfragen: Wen hast du beschenkt, wem hast du gedient, was hast du geteilt um meinetwillen. Und wieder Kehrvers: Jetzt ist die Zeit…

Ganz schön steil. Und ja, da liegt die Gefahr drin, zu glauben, das Reich Gottes könnte verdient oder erarbeitet werden. Wenn jetzt nur genug von den richtigen Dingen getan werden. Vielleicht ist davon etwas in mir hängen geblieben, verinnerlichter Anspruch. Vielleicht predige ich deswegen umso leidenschaftlicher die Freiheit in Christus. Dass jetzt auch die Zeit und die Stunde ist, um mal gar nichts zu tun. Wenn die Grenze der Belastung nämlich schon erreicht ist. Denn dass wir nicht s stark und tatkräftig sind, wie wir vielleicht gerne wären oder wie es ein gesellschaftliches Ideal ist, das macht dem Himmelreich wohl nichts aus.

Das Himmelreich, habe ich heute in der Predigt gehört (ich hatte frei, hurra!), ist mitten unter uns. Nichts, das wir anstreben, dem wir nachlaufen müssen. Es ist der Blick auf das, was schon da ist. Auf die Augenblicke gelebter Liebe. Die werden immer mehr, je mehr Menschen leben und lieben. Und so wächst das Himmelreich der Vollendung entgegen.

Das ist vielleicht der Schlüssel dazu, warum mir niemals Angst war davor, das Himmelreich könnte von mir vertan werden. Warum ich diese ganzen steilen Liedstrophen trällern konnte als Kind und es noch heute könnte, wenn ich nicht so furchtbar heiser wäre seit Wochen. Weil ich immer sehr, sehr reich gesegnet war im Blick auf gelebte Liebe. Ich hatte immer ganz viel Himmel um mich herum, unter mir, inwendig in mir. Freude, große Freude an ganz kleinen Dingen. An dem dicken Stein, den mein bester Freund und ich quer durch unser Dorf geschleppt haben, um ihn in den einbetonierten Flusslauf zu werfen. Wie das Wasser dann dort schäumte und spritzte und sich mit Sauerstoff anreicherte! Freude an den Kaulquappen im Aquarium meiner großen Geschwister. Freude an den Menschen, die beim Supermarkt gegenüber ein- und ausgingen, während ich aus dem Fenster zusah und übte, Menschengesichter zu malen. Freude am Singen. Freude am Tanzen. Freude an der Gemeinschaft. Für uns Kinderchorkinder organisierten einige Mütter einen Kochkurs im Gemeindehaus. Bis heute mache ich Nudelauflauf so, wie ich es mit acht oder neun gelernt habe. Und stelle ihn mit Freude auf den Tisch. Dann singen wir als Familie und essen und das Himmelreich ist mitten unter uns. Gelebte Liebe. Jetzt. Und genau darauf kommt es an.

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